Vom Mythos der Seeräuberei
„Seit es Seefahrt gibt, machen Seeräuber die Meere unsicher", so lautet der informative Erzähleingang dieses Buches. Thema ist die Seeräuberei (frühes Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert) im Norden mit Schwerpunkt auf dem Seeraub der Hansezeit zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. Eine besondere Rolle spielen der berühmt-berüchtigte Klaus Störtebeker, der lange Zeit vor der Elbe sein Unwesen trieb und die bedrohlichen Vitalienbrüder (bestehend aus profitgierigen Gesellen ohne politische Ambitionen). Letztere, die zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert trotz diverser Gegenmaßnahmen den Hansehandel massiv beeinflussten, sahen alle als Feind an, „die ihnen auf See in die Quere kamen". In der Mitte des 18. Jahrhundert nahm die Gefahr der Seeräuber für norddeutsche Schiffe in Ost- und Nordsee, den großen Wirtschaftsräumen im hansischen Handelssystem, allmählich ab, wie der Autor verständlich nachvollziehbar und sachlich darlegt.
Der aussagekräftige Titel Seeräuber auf Nord- und Ostsee - Wirklichkeit und Mythos weist bereits auf die Vermischung von historischen Tatsachen und phantasiegeprägten Legenden und Sagen hin. Im Falle des wagemutigen Störtebekers und der Faszination, die von dessen ungebundenen, ruhelos-abenteuerlichen Leben ohne zuverlässig einträgliche Einnahmequelle bis in die Gegenwart nachwirkt, begründet der Erzähler die Mythenbildung u.a. mit unklaren Quellen. In neuerer Zeit sei der Name Störtebeker derart kommerzialisiert worden, dass er von einer Stralsunder Brauerei seit Anfang der 1990er Jahre sogar als „Bier der Gerechtigkeit" genutzt werde.
Der kompetente Autor Ortwin Pelc, Historiker, studierte selbst in Hamburg und promovierte zur Lübecker Geschichte - vielleicht sind seine Kenntnisse bezüglich dieser Hansestädte deshalb besonders fundiert. Seine Darstellungsweise ist vielfältig: Es geht von wirtschaftlicher- über soziale- bis hin zur schiffstechnischen Entwicklung in Norddeutschland. Teilweise schreibt Pelc im Fachjargon, wenn er Begriffe wie „Bojer" (kleinere Schiffe) verwendet, die er dann zumeist - abgesehen von dem Wort „Baienschiffe", mit dem der Leser weitgehend alleine gelassen wird - in einer der 47 Abbildungen veranschaulicht. Die Geschichte Norddeutschlands wird hier immer wieder durch historische Rundumschläge - z.B. wenn von den Barbaresken, den nordafrikanischen Seeräubern, die Rede ist - angereichert.
Insgesamt ist dieses Buch besonders Liebhabern der abenteuerlichen Seeräuberei und an der nordischen Geschichte Interessierten zu empfehlen.
Ortwin Pelc
Seeräuber auf Nord-
und Ostsee - Wirklichkeit und Mythos
Boyens
Buchverlag
96
S., 9,90 Euro
ISBN
3-8042-1170-4
