Eisbär-Rummel
Das Ausmaß der Berichterstattung über das Nürnberger Eisbärbaby hat geradezu bizarre Züge angenommen. Das Tier entwickelt sich prächtig, wird per Hand aufgezogen, hat die Augen geöffnet - eine Meldung jagt die nächste. Nun verkündete Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly, dass die Eisbärin weiterhin Flocke heißt: Welch' eine Überraschung! Die Fan-Post, die zuvor schon kistenweise eingegangen war, kann künftig also personalisiert werden.
Das Eisbär-Mädchen ist seit Tagen Thema Nummer Eins - nicht nur bei den Deutschen. Statt nach Kenia oder Amerika blickt alle Welt nach Nürnberg. Im dortigen Zoo wächst und gedeiht die fünf Wochen alte Eisbärin unbeeindruckt von ihren Fans und der Weltpolitik. Längst hat sie Berlins Eisbär-Teenie Knut aus den Medien verdrängt. Ihr Gewicht von mittlerweile 3150 Gramm interessiert viele Menschen mehr als die Landtagswahl in Hessen, der Fall Nokia oder das Thema Jugendgewalt. In was für einem oberflächlichen Land leben wir?
So streitwürdig dieses Thema auch ist: Dem Charme der herzerweichend süßen Flocke kann sich kaum jemand entziehen. Nur Wenige bleiben bei ihrem Anblick ungerührt. Gerade in Zeiten von sozialer Kälte erwärmt so ein knuffiger Eisbär die Herzen der Menschen und stillt die Sehnsucht nach guten Nachrichten. Doch genauso, wie Knut nicht mehr so süß ist, weil er groß wurde, wird auch der Rummel um das Nürnberger Eisbärbaby eines Tages abnehmen, weil die kleine „Flocke" zum Raubtier wird. Dann gewinnen auch ernsthaftere Themen wieder an Bedeutung. Die Probleme der Gesellschaft kann auch Flocke nicht lösen. Doch für einen Moment hat sie die Welt schöner gemacht - und das ist doch auch schon was.
