Die Jagd der Meute

36 Beagle gehören der Familie Martens. Sie sind Teil der ältesten Meute im deutschsprachigen Raum und nehmen regelmäßig an Schleppjagden teil. Reportage, erschienen in "Schleswig Holstein Am Sonntag" am 9. September 2007.

Sie sehen edel aus. Rote Jacketts, goldene Knöpfe,  weiße Hosen, blitzblank gewienerte schwarze Stiefel. Aber die 25 Reiter sind aufgeregt, denn es ist Jagd. Ein kleiner Begrüßungsschnaps hilft, die Nervosität im Zaum zu halten. Nervös sind auch die 36 braun-weißen Hunde, die nun aus ihrem Verschlag aufs Feld gelassen werden. Sie bekommen keinen Schnaps, aber sie dürfen nun los, zur zehnten Schleppjagd auf dem Pariner Hof in Bad Schwartau.

Die Jagdhornbläser geben das Startsignal. Reiterin Stephanie Faasch kennt sich im Gelände aus und begleitet den Spurenleger, der auf rund zehn Kilometern Strecke die künstliche Fuchs-Duftmarke versprüht. Es folgt *Master" Joachim Martens (50). Er ist verantwortlich für den Ablauf der Schleppjagd und hält mit seinem Pferd und gezielten Peitschenschlägen in die Luft die Hundemeute zusammen. Hintendrein galoppieren die anderen Reiter über offene Felder und Gräben. Reiter, Master und ganz vorne die bellenden Beagles wetzen über Stock und Stein
-  es sind Bilder voll Kraft, Dynamik und Lebenslust, die sich den Besuchern bieten. Wenn sie denn trotz des auffliegenden Staubes etwas erkennen können aus ihrer Kutsche oder dem Auto, in denen sie der Truppe folgen.

Auch Tierfreunde können beruhigt sein, denn die Beagles jagen laut bellend, was Rehe rechtzeitig warnt. Überhaupt sollen bei einer solchen Schleppjagd weder Mensch noch Tier verletzt werden. *Als ich geboren wurde, war die Meute da", sagt Master Martens. Eigentlich verkauft er Schuhe, hat aber in 16 Tagen Urlaub acht Jagden organisiert. So viele Hunde zu halten, sei nur mit Unterstützung der ganzen Familie - Frau Sigrid, Tochter Magdalena und Sohn Richard - möglich. Die Meute jagt jedes Jahr auf Einladung bei etwa 30 Veranstaltungen für Jagdreiter aller Berufsgruppen und jeglichen Alters in Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Brandenburg und Niedersachsen.

"Schleppjagden sind eine der schönsten Nebensächlichkeiten des Lebens und demonstrieren eine eigene Lebensphilosophie", sagt Martens. Es gehe um Spannung, Herausforderung. Der Ablauf sei nie vorhersehbar - man wisse nie, wie die Pferde  sind, wie der Nachbar reitet.

"Seit ich lebe, mache ich bei Schleppjagden mit", beschreibt Sohn Richard Martens (21) die von seinem Großvater 1957 begründete Familientradition. Seit 2006 teilt er sich als Joint-Master mit seinem Vater die operative Verantwortung für die Führung der Beagle-Meute Lübeck (BML) - die mit Abstand älteste Privatmeute im deutschsprachigen Raum. Was so eine Jagd ausmacht? *Die Herausforderung schwieriger Hindernisse, Spaß ohne Konkurrenz und das Zusammenspiel von Tier, Mensch und Natur - das ist der Reiz", sagt Martens Junior, der trotz Erfahrung einräumt, gelegentlich noch ein wenig Angst vor einer Jagd zu haben. Sein Tipp: *Immer ruhig bleiben, Vertrauen ins Tier haben, Mut zeigen."

Zum Abschluss der Jagd erhalten alle Beteiligten beim "Halali"  eine Belohnung: die Hunde Rinderpansen, die Reiter einen gebrochen Eichenzweig (Bruch). Laut Jagdritual ist jeder Sportler verpflichtet, diesen Bruch bis 24 Uhr zu tragen, auch im Pyjama - von gelegentlichen Kontrollen wird gemunkelt.

*Die Jagd war super", sagt Stephanie Faasch, die nach 50 Jagden nun von Familie Martens mit dem flaschengrünen Kragen am Jagdrock ausgezeichnet wurde und damit zur Meute gehört. Kräftige Horn-klänge beenden das einmalige Jagderlebnis.

Näheres unter www.beagle-meute-luebeck.de, BML-JMartens@t-online.de oder www.meute.de.  

Jagdhistorie
Heute werden Schleppjagden zum Vergnügen und aus sportlichem Ehrgeiz
abgehalten. Die größte Anhängerschaft hat die Fuchsjagd in Großbritannien. Das dortige Jagdverbot vom 15. September 2004 führte zu erhitzten Debatten. In Deutschland ist die Jagd auf den lebenden Fuchs aus Gründen des Tierschutzes generell seit Beginn der Weimarer Republik verboten. Deswegen wird sie in abgewandelter Form als Schleppjagd durchgeführt, indem Reiter hinter einer Hundemeute auf einer künstlich gelegten Fuchsfährte  über natürliche und speziell gebaute Hindernisse jagen. Schleppjagd heißt es deshalb, weil die Duftspur für die Hunde früher von einem Reiter mit einem an einem Seil nachgeschleppten Schwamm oder ähnlichem gelegt wurde; heute tropft die Schleppflüssigkeit (Fuchscode verdünnt mit Wasser) aus einem am Sattel befestigten
Kanister.

Zurück