Die Jagd der Meute
Sie sehen edel aus. Rote Jacketts, goldene Knöpfe, weiße Hosen,
blitzblank gewienerte schwarze Stiefel. Aber die 25 Reiter sind
aufgeregt, denn es ist Jagd. Ein kleiner Begrüßungsschnaps hilft, die
Nervosität im Zaum zu halten. Nervös sind auch die 36 braun-weißen
Hunde, die nun aus ihrem Verschlag aufs Feld gelassen werden. Sie
bekommen keinen Schnaps, aber sie dürfen nun los, zur zehnten
Schleppjagd auf dem Pariner Hof in Bad Schwartau.
Die
Jagdhornbläser geben das Startsignal. Reiterin Stephanie Faasch kennt
sich im Gelände aus und begleitet den Spurenleger, der auf rund zehn
Kilometern Strecke die künstliche Fuchs-Duftmarke versprüht. Es folgt
*Master" Joachim Martens (50). Er ist verantwortlich für den Ablauf der
Schleppjagd und hält mit seinem Pferd und gezielten Peitschenschlägen
in die Luft die Hundemeute zusammen. Hintendrein galoppieren die
anderen Reiter über offene Felder und Gräben. Reiter, Master und ganz
vorne die bellenden Beagles wetzen über Stock und Stein
- es sind
Bilder voll Kraft, Dynamik und Lebenslust, die sich den Besuchern
bieten. Wenn sie denn trotz des auffliegenden Staubes etwas erkennen
können aus ihrer Kutsche oder dem Auto, in denen sie der Truppe folgen.
Auch Tierfreunde können beruhigt sein, denn die Beagles jagen
laut bellend, was Rehe rechtzeitig warnt. Überhaupt sollen bei einer
solchen Schleppjagd weder Mensch noch Tier verletzt werden. *Als ich
geboren wurde, war die Meute da", sagt Master Martens. Eigentlich
verkauft er Schuhe, hat aber in 16 Tagen Urlaub acht Jagden
organisiert. So viele Hunde zu halten, sei nur mit Unterstützung der
ganzen Familie - Frau Sigrid, Tochter Magdalena und Sohn Richard -
möglich. Die Meute jagt jedes Jahr auf Einladung bei etwa 30
Veranstaltungen für Jagdreiter aller Berufsgruppen und jeglichen Alters
in Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Brandenburg und Niedersachsen.
"Schleppjagden
sind eine der schönsten Nebensächlichkeiten des Lebens und
demonstrieren eine eigene Lebensphilosophie", sagt Martens. Es gehe um
Spannung, Herausforderung. Der Ablauf sei nie vorhersehbar - man wisse
nie, wie die Pferde sind, wie der Nachbar reitet.
"Seit ich
lebe, mache ich bei Schleppjagden mit", beschreibt Sohn Richard Martens
(21) die von seinem Großvater 1957 begründete Familientradition. Seit
2006 teilt er sich als Joint-Master mit seinem Vater die operative
Verantwortung für die Führung der Beagle-Meute Lübeck (BML) - die mit
Abstand älteste Privatmeute im deutschsprachigen Raum. Was so eine Jagd
ausmacht? *Die Herausforderung schwieriger Hindernisse, Spaß ohne
Konkurrenz und das Zusammenspiel von Tier, Mensch und Natur - das ist
der Reiz", sagt Martens Junior, der trotz Erfahrung einräumt,
gelegentlich noch ein wenig Angst vor einer Jagd zu haben. Sein Tipp:
*Immer ruhig bleiben, Vertrauen ins Tier haben, Mut zeigen."
Zum Abschluss der Jagd erhalten alle Beteiligten beim "Halali" eine Belohnung:
die Hunde Rinderpansen, die Reiter einen gebrochen Eichenzweig (Bruch).
Laut Jagdritual ist jeder Sportler verpflichtet, diesen Bruch bis 24
Uhr zu tragen, auch im Pyjama - von gelegentlichen Kontrollen wird
gemunkelt.
*Die Jagd war super", sagt Stephanie Faasch, die nach
50 Jagden nun von Familie Martens mit dem flaschengrünen Kragen am
Jagdrock ausgezeichnet wurde und damit zur Meute gehört. Kräftige
Horn-klänge beenden das einmalige Jagderlebnis.
Näheres unter www.beagle-meute-luebeck.de, BML-JMartens@t-online.de oder www.meute.de.
Jagdhistorie
Heute werden Schleppjagden zum Vergnügen und aus sportlichem Ehrgeiz
abgehalten.
Die größte Anhängerschaft hat die Fuchsjagd in Großbritannien. Das
dortige Jagdverbot vom 15. September 2004 führte zu erhitzten Debatten.
In Deutschland ist die Jagd auf den lebenden Fuchs aus Gründen des
Tierschutzes generell seit Beginn der Weimarer Republik verboten.
Deswegen wird sie in abgewandelter Form als Schleppjagd durchgeführt,
indem Reiter hinter einer Hundemeute auf einer künstlich gelegten
Fuchsfährte über natürliche und speziell gebaute Hindernisse jagen.
Schleppjagd heißt es deshalb, weil die Duftspur für die Hunde früher
von einem Reiter mit einem an einem Seil nachgeschleppten Schwamm oder
ähnlichem gelegt wurde; heute tropft die Schleppflüssigkeit (Fuchscode
verdünnt mit Wasser) aus einem am Sattel befestigten
Kanister.
