Bücher voller Erinnerungen
Wer kommt mit auf eine Reise in die deutsche Vergangenheit? - Dieses Buch stellt Geschichte(n) aus dem Alltag - genauer: die z.T. aufregende Kindheit und die hoffnungsvolle Jugend des Jahrgangs 1940 - anschaulich dar. Es geht um die Licht- und Schattenseiten des Lebens: sowohl um das Leid von angstvollen Bombennächten als auch das Glück, wie es beispielsweise ein Kind mit seinem ersten Dreirad verspürt - eventuell vergleichbar mit dem Hochgefühl der Deutschen nach der gewonnenen Fußballweltmeisterschaft 1954. All dass und noch viel mehr wird anhand von Text, Bildern und sogar Originaltexten von Zeitzeugen erzählt.
Schon der Titel WIR vom Jahrgang 1940 vermittelt ein Gruppengefühl und weist auf das gemeinsame Erleben von weltpolitischen und gesellschaftlichen Ereignissen in der Nachkriegszeit hin.
Der Autor Karl-Heinz Groth aus Eckernförde ist selbst Jahrgang 1940, er muss also wissen, wovon er spricht. Dass dem so ist, zeigt sein Stil, der zugleich leicht verständlich, informativ und lehrreich ist. Seine Erzählweise wechselt von historisch-distanzierter Betrachtung - wie sie z.B. in der Zeitleiste auftritt - gelegentlich auch zum explizit persönlichen Blickwinkel, bei dem die Worte „ich", „wir" und „meine Mutter" verwendet werden. Zugleich wird so manche Erinnerung verklärt. Letztere Erinnerungsform mag bei der Schilderung des Waschtages zutreffen: Die „Brühe der Vorgänger" war sicherlich nicht immer das reinste Vergnügen.
Dass Groth in Schleswig-Holstein aufgewachsen ist, tritt nicht sofort offen zutage. Allerdings könnte der Insider, dass ein Plumpsklo in manchen norddeutschen Gegenden auch „Tante Meier" genannt wird, so eine „nostalgische Erinnerung" des Schreibers, darauf hinweisen. Auch die Hervorhebung, dass Schleswig-Holstein „Flüchtlingsland Nummer Eins" gewesen sei, mag als Betonung der Heimat aufgefasst werden.
Die übersichtlichen Chroniken komprimieren die Fakten, so dass der Leser neben dem Schwelgen im Vergangenen jeder Zeit sein geschichtliches Datenwissen aktualisieren kann.
Auch Ironie fehlt nicht, wenn Groth das Eintreffen der blauen Briefe, die gerade zu Weihnachten, „auch durch die größte Katastrophe nicht totzukriegen", auf die Wiederholung der Klassenstufe hinweisen, mit „wie sinnig!" kommentiert.
Zu empfehlen ist dieses Buch besonders den 40ern: auf dass so manche Erinnerung - vielleicht ähnlich rührend wie diejenige Groths, dass Mütter an Kindergeburtstagen „Karamellbonbons" aus Haferflocken, Zucker und Milch zauberten? - wieder zutage treten werde!
Karl-Heinz Groth:
WIR vom Jahrgang 1940 - Kindheit und Jugend
Wartberg Verlag, 64 S., 12,90 Euro
ISBN 3-8313-1540-X
